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(Geistliche) Berufungen in kirchlicher Umbruchszeit
Gib deinem Sinn ein Leben!
Fachkongress in Stuttgart
Was ist „Berufung“? Wie lässt sich der Begriff wissenschaftlich fassen? Hat er nur im kirchlichen Ram einen Sinn, und was bedeutet er für „Gerufene“ existenziell? Damit beschäftigte sich ein viertägiger Fachkongress vom 5. bis 8. Februar an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Stuttgart-Wien, 14.2.2025. Die Zahl der Priesteramtskandidaten nimmt rapide ab; katholische Ordensgemeinschaften stehen vielerorts geradezu vor dem Aussterben. Kirche scheint nicht mehr attraktiv für lebenslange Bindungen, und ihr Ruf ist nach zahlreichen Missbrauchsskandalen – auch in geistlichen Gemeinschaften – beschädigt. Gleichzeitig steht sie vor einem Umbruch. Die von Papst Franziskus energisch geforderte und von der Weltsynode nach dreijährigem Prozess per Beschluss skizzierte „Synodalität“ soll mehr Mitsprache und Entscheidungsbefugnisse für „einfache“ Gläubige und neue Ämter mit sich bringen – die Kirche also anziehender machen.
Keine Patentrezepte
Das Publikum: Berufungscoachs und Ausbilder auf dem Weg dahin, geistliche wie psychologische Lebensbegleiter:innen, Kleriker, vorwiegend aber Ordensleute, die eine vor Jahren erfahrene „Berufung“ leben, und schon auch solche, die sich im Kreise anderer darin bestärken wollten – angesichts des schier unaufhörlichen, deprimierenden Schrumpfens ihrer Gemeinschaften um sie herum. Da saßen Vertreter:innen aller möglichen Ordensfamilien zusammen, franziskanische, benediktinische, ignatianische und andere, weil das Problem ja alle angeht. Und manche:r dachte wohl, Patentrezepte zur „Vermehrung geistlicher Berufungen“ mit nach Hause nehmen zu können. Was so einfach dann doch nicht war.
Gleichzeitig wurde deutlich, dass es neue Formen religiösen Zusammenlebens gibt, ökumenische kloster-ähnliche Gemeinschaften als Experiment beispielsweise und suchende Menschen, die sich davon angezogen fühlen. Auch von abstoßenden Erlebnissen war die Rede: Frauen erzählten, dass sie sich durchaus zum geistlichen Amt berufen fühlten, von der Kirche aber ausgebremst würden. Lebensberichte wie diese, teils erschütternder Natur, zählten zu den wichtigsten Punkten des Kongresses.
Als prominenteste Rednerin war Schwester Nathalie Becquart, die erste Frau im Sekretariat der Welt- und früheren Bischofsynode, aus dem Vatikan gekommen. Sie sprach von einem Aufbruch, den die Synode gebracht habe und von einer in Zukunft damit dezentralisierten, vielfältigeren Kirche.
Aktuelle Frage nach Berufung
Akademiedirektorin Dr. Verena Wodtke-Werner fasst den Kongress und die Herausforderungen an die Kirche so zusammen: „Es ist klar geworden, dass sich was ändern muss. Wir müssen kirchliche Strukturen ändern, verflüssigen, damit wir den Talenten Raum geben. Unsere Strukturen sind zu eng, um der Fülle, die wir im Christentum haben, Raum zu geben. Das muss in der Wissenschaft genauso geschehen wie in den Formen, in denen Kirche unterwegs ist.“
„Die Frage nach Berufung ist heute aktueller denn je“, sagt Elisabeth Grabner, Leiterin des Canisiuswerks und Mitglied der internationalen Tagungsleitung des Kongresses. „Der Wunsch nach einer Tätigkeit, die unseren Talenten entspricht und wirklich zu uns passt, hat in den letzten Jahren stark zugenommen. In der Berufungspastoral haben geistliche und kirchliche Berufe einen Schwerpunkt, aber Berufung betrifft alle Menschen, die nach Sinn und Erfüllung in ihrem Leben suchen. Mit seinen vielfältigen, lebensnahen und praxisorientierten Zugängen bot der interdisziplinäre Kongress in Stuttgart eine einzigartige Plattform für den Austausch zwischen kirchlichen und säkularen Ansätzen der Berufungsbegleitung und Berufungsfindung“, betont Grabner.
Näheres Infos und Rückfragen: www.akademie-rs.de.
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