Mein Traum von Kirche
Eine Kirche, die einen neuen Aufbruch erlebt und immer mehr zur Weltkirche wird.
Meine Vision von Kirche hängt mit Stationen meines Lebens zusammen. Was ich selbst Schritt für Schritt durch die Sendung der Kirche geschenkt bekommen habe, das ersehne ich auch für andere und für die Kirche selbst. Kirche war für mich zuerst und vor allem „Hauskirche“. Im Elternhaus durfte ich zusammen mit meinen Geschwistern erfahren, dass die Eltern in einer lebendigen Gottesbeziehung standen, die sich durch das regelmäßige Gebet und ihr Gottvertrauen ausdrückte.
Ich träume davon, dass es auch heute solche gläubigen, gottverbundenen Elternhäuser und Lebensgemeinschaften gibt, in denen die nächste Generation Gottvertrauen lernt.
Immer mehr Weltkirche
Dann war Kirche für mich eine lebendige Pfarrgemeinde, in der ich als Ministrant, als Pfadfinder und als Mitglied der Jugendgruppe mit anderen zusammen den Glauben lebte, Räume für mein Engagement vorfand, Wertschätzung für meine Begabungen und Beiträge erfuhr und ausprobieren konnte, was es heißt, den Glauben gemeinsam mit anderen zu leben.
Ich träume davon, dass es weiter Gemeinden gibt, wo das für junge Menschen und neu Hinzukommende möglich ist.
Anschließend war meine Kirchenerfahrung wesentlich bestimmt durch eine internationale Ordensgemeinschaft, der ich mich anschloss: die Steyler Missionare. Hier durfte ich erfahren, dass der christliche Glaube in einer Vielfalt von Kulturen gelebt wird und dass ein Zusammenleben in internationalen Gemeinschaften mit ganz verschiedenen kulturellen Prägungen möglich ist.
Ich träume davon, dass die Kirche immer mehr Weltkirche wird, Einheit im Glauben in der Verschiedenheit der Kulturen.
Während meiner Zeit in Brasilien erfuhr ich mich als Teil einer Ortskirche, die sich entschieden auf die Seite der Armen und Benachteiligten stellt und die gesellschaftspolitisch Stellung bezieht. Jesu Einsatz für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit stand im Mittelpunkt der Predigten, der Bibelauslegung und des konkreten Einsatzes in den Gemeinden, für Arbeiter und landlose Bauern, für Afrobrasilianer und indigene Völker, für Obdachlose und Straßenkinder.
Ich träume von einer Kirche, die in den Geringsten der Gesellschaft Jesus selbst erkennt und sich aus dieser Erkenntnis heraus einmischt in die Gesellschaftspolitik.
Liebende Fürsorge
Eine schwere Erkrankung ließ mich schließlich die tragende Gebetsgemeinschaft vieler Menschen erfahren. Ich weiß noch, wie ich in der Intensivstation beim Lesen von E-Mails vor lauter überfließender Dankbarkeit hemmungslos geheult habe. Denn so viele Leute schrieben mir, wie sie für mich gebetet hatten.
Ich träume von einer Kirche, die Kranke, Leidende und Sterbende begleitet durch ihr Gebet und ihre liebende Fürsorge.
Als Ordensmann unter Ordensleuten erlebe ich eine Kirche, der es zentral um geschwisterliches Miteinander, gemeinsamen Besitz und Verfügbarkeit für die Sendung geht. Demokratische Prozesse sind genauso üblich wie ein regelmäßiges gemeinsames Gebetsleben, in das Leben und Sendung mit einfließen.
Ich träume von einer Kirche, die immer mehr und immer konkreter Gemeinschaft wird.
Verkrustetes aufbrechen
Seit zweieinhalb Jahren darf ich eine Kirche erleben, die durch Papst Franziskus einen neuen Aufbruch erfährt. Ich sehe im Bischof von Rom ein unverhofftes Geschenk des Heiligen Geistes. Er bringt so vieles neu auf den Weg, das verkrustet oder blockiert war.
Ich träume davon, dass viele Menschen die Anstöße und Steilvorlagen, die der Papst gibt, annehmen und offensiv ins Leben der Kirche und der Welt einbringen.
P. Franz Helm SVD
Erschienen in: "miteinander" | Jahrgang 2016 | Ausgabe Jänner/Februar
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