Notfallretter für das blaue Herz Europas
Der Wahl-Wiener Ulrich Eichelmann engagiert sich mit seiner Umwelt-NGO RiverWatch für den Erhalt der Flussjuwele am Balkan. Ein Kampf David gegen Goliath.
In Wiens Straßen trifft man Ulrich Eichelmann meist am Fahrrad; in Albanien und anderswo am Westbalkan kann es hingegen sein, dass er einem im Kajak entgegenpaddelt. Auf der Vjosa oder anderen Wasserarterien im „Blauen Herz Europas“, wie Eichelmann die Balkanflüsse nennt. Der Deutsche aus der Nähe von Paderborn in Nordrhein-Westfalen ist aber weder Radsportler noch Paddler, sondern setzt sich seit Jahrzehnten, und das durchaus mit sportlichem Ehrgeiz, für den Erhalt von Bächen, Flüssen, Au-Landschaften ein.
Aus seiner Passion fürs Wasser hat Eichelmann seine Profession als Geschäftsführer von RiverWatch – einem Verein zum Schutz der Flüsse – gemacht. Auf die Frage, warum eine österreichische Umwelt-NGO sich auf Wasserläufe konzentriert, antwortet er kurz: „Flüsse sind die Lebensadern der Erde, ein Paradies für die Artenvielfalt, gleichzeitig haben sie fast keine Lobby!“ Seine Antwort auf die Frage, warum sich RiverWatch mit der „Rettet das blaue Herz Europas“-Kampagne auf die Flüsse am Balkan fokusiert, fällt länger aus. Zusammenfassen lässt sich die Mission als Notfalleinsatz für das blaue Herz Europas.
Wie bei uns vor 150 Jahren
Wenn Eichelmann dieses Herz beschreibt, gerät er ins Schwärmen: „Auf dem Balkan finden wir noch intakte Wasserläufe in einer Vielfalt und Größe, die es im zentraleuropäischen Raum seit 150 Jahren nicht mehr gibt.“ Gründe dafür sind die lange Isolation der Region in der kommunistischen Zeit und die wirtschaftliche Instabilität danach, die Investoren abschreckte und die Flüsse unberührt ließ. „Das zeigt, dass man nur lange genug hinten bleiben muss, damit man wieder vorne ist“, kommentiert Eichelmann diese Gunstlage: „Die haben noch einen guten Gewässerzustand, den wir bei uns mit der EU-Wasserrahmenrichtlinie erst wieder mühsam zu erreichen versuchen.“
Seit sich der Balkan wirtschaftlich stabilisiert, ist sein blaues Herz jedoch kein weißer Fleck für den internationalen Energiemarkt mehr. Im Gegenteil, den Balkanflüssen droht eine Staudammflut. Zwischen Slowenien und Griechenland zählt RiverWatch rund 2700 geplante Staudämme. Investoren aus China, Russland und Europa kämpfen an der Staudamm-Front um wirtschaftliche und politische Einflussmöglichkeiten. „Das ist immer ein Kampf David gegen Goliath“, beschreibt Eichelmann die Aufstellung zwischen Umweltschutz und Wirtschaftsmacht, „meistens gewinnt Goliath, aber einige David-Siege sind uns gelungen.“
Wie in der Hainburger Au
Ein riesiger Erfolg, in Österreich vergleichbar mit der Besetzung der Hainburger Au und dem heutigen Nationalpark Donau-Auen, war die Durchsetzung eines Vjosa-Nationalparks in Albanien. Hollywood-Star Leonardo DiCaprio unterstützte RiverWatch dabei. Entscheidend, dass das blaue Herz des Balkans weiter schlägt, sind jedoch die mutigen Frauen und Männer in der Region, die ihre Bäche und Flüsse schützen, sagt Eichelmann: „Von ihrer Widerstandskraft, wenn es um ihre Heimat und Werte geht, die plötzlich nur mehr irgendjemand anderem Geld bringen sollen, können wir uns viel abschauen.“ Wenn trotzdem wieder einmal Goliath gewinnt, dann setzt sich Eichelmann mit seinen Freundinnen und Freunden an der Vjosa und anderswo zusammen: „Dann versuchen wir irgendwie die Hoffnungslosigkeit aus den Kleidern zu kriegen – und machen weiter!“
Von Wolfgang Machreich
Ulrich Eichelmann
ist Umweltaktivist und engagiert sich mit seiner Umwelt-NGO „RiverWatch“ für den Erhalt von Gewässern in Europa.