Vom Pressesprecher zum Mönch
In „Berufungsg'schichten“ in Kooperation mit dem Berufungszentrum Quo vadis? erzählt Fr. Lukas Agerer vom Zisterzienserstift Stams, wie er in seiner Tiroler Heimat Mönch wurde.
In seinem neuen Podcast für Geist und Seele erzählt von Frater Lukas Agerer über den Schlüssel zu seiner geistlichen Berufung: die Stille.
Als Mönch im Kloster werde ich von Besuchern oder Gästen immer wieder gefragt, warum ich hier lebe. Heutzutage ist ja die Lebensform als Mönch nicht gerade modern und eher sehr selten geworden. Sie meinen dann auch, dass ich schon viele Jahre hier sei. Wenn ich dann erzähle, dass ich erst vor drei Jahren hierher nach Stams gekommen bin und mit 49 Jahren Mönch wurde, erlebe ich oft fragendes Staunen.
Mich selbst hat Gott auch immer wieder ins Staunen versetzt. Ganz besonders auf dem Berufungsweg hierher ins Kloster nach Stams. Ich bin 70 Kilometer entfernt von der Abtei im Tiroler Oberland geboren, religiös geprägt und in der Gemeinschaft der Kirche als Ministrant und Jugendpfarrgemeinderat aufgewachsen. Meine Kindheit und Jugend waren sehr schön und unbeschwert. Dafür danke ich meinen lieben Eltern von ganzem Herzen. Sie waren es, die mit ihrer Liebe den Samen genährt haben.
Das Leben vor dem „Mönchsein“
Nach meiner Matura in Landeck war ich während eines Jurastudiums drei Jahre Landesobmann der Jungen ÖVP in Tirol. Das politische Geschäft war mir dann doch zu unmoralisch. Daher ging ich einen neuen Weg, der mich nach Deutschland führte. Dort habe ich eine Ausbildung als Fachwirt für Public Relations absolviert. Mehr als 20 Jahre war ich dann als Pressesprecher, Kommunikationsberater sowie Manager für politische Kommunikation in Energiekonzernen tätig und habe in München, Berlin und Landshut gelebt.
Dieses Leben vor dem „Mönchsein“ war auch ein gutes Leben und die meiste Zeit bereichernd. Es ist jedoch nicht zu vergleichen mit dem, was mir mit meiner geistlichen Berufung geschenkt worden ist. Jetzt wird mir innerlicher Reichtum geschenkt. Jetzt werde ich innerlich berührt. Jetzt darf ich aus der Fülle meiner Gaben leben und der sein, als der Gott mich geschaffen hat.
Wie kam es dazu, dass ich diesen Ruf hörte und ich ihm gefolgt bin? Nun der Ruf – er kam aus der Stille. In einer Zeit der unternehmensinternen Neustrukturierung bekam ich die Möglichkeit , durch eine beruflichen Pause Abstand zu gewinnen. So konnte ich viel Zeit mit mir alleine verbringen. Ich war viel in der Natur, in den Bergen unterwegs und bin öfter in die alte Heimat gereist.
Eine innere Stimme im Gebet und in der Stille
In dieser Zeit bin ich eines Tages beim Umräumen meiner Wohnung auf das Kreuz von San Damiano gestoßen. Das kleine Pilgerkreuz habe ich als 16-Jähriger bei einem Urlaub in Assisi – den ich zusammen mit einem jungen Priester verbracht habe – mitgenommen und seither immer bei mir gehabt. Ich habe dieses Kreuz aus der Schublade genommen und es sichtbar auf die Kommode gelegt. Nach ein paar Tagen hatte ich den innerlichen Wunsch zu beten. So kniete ich mich vor das Kreuz hin, sprach persönliche Worte des Gebets und hielt Stille.
Irgendwie hat mir das gut getan und ich habe nicht verstanden, was der Antrieb war, damit zu beginnen. Aber weil es mir gut getan hat, habe ich immer wieder am Morgen diese Zeit vor dem Kreuz und diese Zeit der Stille verbracht. – Und da ist es dann gekommen, dass ich innerlich gehört habe: „Du sollst Seelsorger sein.“
Natürlich war ich überrascht und dachte auch, dass dieser Ruf nicht mir gilt. Nicht mir, der schon 49 Jahre alt ist. Nicht mir, der viele Jahre fern von Gott gelebt hat. Nicht mir, der intensiv im Weltlichen und im Außen lebte. So habe ich diesen Ruf zunächst nicht ganz ernst genommen; aber durch Begegnungen und Ereignisse im Alltag bin ich doch zum Entschluss gekommen, mich in meinem Inneren darauf einzulassen und Gott zu fragen, was es denn dann konkret zu bedeuten hat. Für wen soll ich Seelsorger sein? In welcher Form und an welchem Ort? Und durch dieses Einlassen auf den Ruf bin ich dieser inneren Sehnsucht gefolgt und durfte dann in Begegnungen und Erlebnissen vieles sehen und auf Gott hin deuten.
Dreifache Heimat
Mein Weg des Rufes bis zum Eintritt ins Kloster dauerte etwa ein Jahr lang. In diesem Jahr war ich auf dem Weg zu meinem göttlichen Kern. Ich bin in dieser Zeit Gott begegnet und habe wunderbare Momente der Heilung erleben dürfen. So habe ich den Glauben geschenkt bekommen, vom inneren Hören. Von dieser inneren Stimme, die die Sehnsucht Seelsorger zu sein, ausgelöst hat. „Gott lässt sich von denen finden, die ihn nicht gesucht haben“ (Jes 65,1).
Darüber will ich jetzt als Mönch offen reden und weitersagen, was ich selbst als Geschenk empfangen habe. So habe ich mich eingelassen auf das Unsichtbare und ich wurde reich beschenkt mit einem unglaublichen Vertrauen von jenem, den wir nicht sehen können, den wir eigentlich nicht richtig hören können, der aber in uns wohnt und innerlich zu uns spricht, wenn wir in uns „hinein hören“.
So durfte ich auf meinem Weg der Berufung entdecken, dass Gott schon immer in mir war. Dass ich ein Teil von ihm bin: er in mir wohnt und mich so, wie ich bin – mit allem, was ich erlebt und getan habe –, annimmt und liebt. Diese totale und bedingungslose Geborgenheit in seiner Liebe durfte ich ganz stark spüren. Und dieses Geschenk ist mir heute unsagbar kostbar geworden. Es spendet mir tiefen Frieden und inneres Glück. Und aus diesem Geschenk lebe ich jetzt meine Berufung. Und auch aus meiner persönlichen Erfahrung, dass ich durch meine Antwort auf Gottes Ruf dreimal Heimat finden durfte: Heimat in mir, Heimat im Kloster und Heimat bei Christus.
Die Liebe weitergeben
Nun lebe ich seit drei Jahren hier in der Mönchsgemeinschaft der Zisterzienserabtei mit meinen Mitbrüdern in Gebet und Arbeit zusammen. Hier im Kloster habe ich jetzt vielfältige Aufgaben, die mir Freude machen und mich erfüllen. Ich bin Gastmeister, geistlicher Begleiter, gebe Exerzitien, bin Sakristan, kümmere mich um die digitale Kommunikation des Geistlichen Lebens, mache Führungen und absolviere den Fernkurs in Theologie. Zusätzlich betreue ich einen älteren Mitbruder, der nach einem Schlaganfall Schwierigkeiten beim Reden hat. Es ist schön für mich, ihm meine Stimme zu leihen und ihm ein bisschen zu helfen.
Weil mir durch die erfahrene Heilung durch die Liebe Gottes die Liebe zu mir selbst wiedergeschenkt wurde, bin ich im Inneren meiner Seele von Liebe erfüllt. Und diese Liebe gebe ich aus Freude und Dankbarkeit hier im Kloster im Gebet und meinen Aufgaben gerne weiter.
Der Schlüssel dazu war die Stille. Denn mein Ruf kam aus der Stille. So wünsche ich Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, dass Sie auch immer wieder in die Stille gehen, um zu hören, auf welchem Weg Sie sind und ob es der Weg ist, der Sie erfüllt. „Wenn Du schweigst, spricht Gott zu Dir ...“ Das ist ein Gebet, das wohl ganz gut beschreibt, aus welcher tiefen Erfahrung der Berufung ich durch die Stille und aus der Stille meinen wahren Weg im Leben gefunden habe:
„Am deutlichsten spricht Gott zu Dir, wenn Du schweigst.
Dann kannst Du ihn in Deinem Herzen hören.
Mit Gott zu sprechen, lernst Du am besten,
wenn Du zuhörst, wie Gott mit Dir spricht.
So sammle Dich, komme mit Deinen Gedanken
innerlich zur Ruhe und höre zu.
Höre zu, was Gott mit Dir zu besprechen hat,
was er Dir zu sagen hat, ist wichtig.
Es gibt nichts Wichtigeres für Dich als das,
was Gott Dir sagen will.
Lass also Deinen Schöpfer sprechen und höre einfach zu.“
Von Frater Lukas Agerer
Frater Lukas lädt als Gastmeister mit unterschiedlichen Formaten ein, eine Zeit im Kloster zu verbringen. Auch Pilger bekommen eine Herberge. Oft kommen Männer, die, wie er damals, sich von weit weg wieder der Suche nach Gott annähern.
In seiner Podcastreihe für Geist und Seele lässt sich die Berufungsg'schicht von Frater Lukas auch anhören: Teil 2. Der Schlüssel war die Stille. Mein Weg zur geistlichen Berufung als Mönch und Seelsorger.