Ihre Entscheidung wäre klar
Seit 60 Jahren ist sie Barmherzige Schwester vom hl. Vinzenz von Paul. Die Entscheidung für das Kloster würde sie heute wieder treffen. Sandra Lobnig, Wiener Sonntag.
Vor 60 Jahren hat Schwester Adelma Leitner ihre Profess im Orden der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul abgelegt, und es wirkt, als hätte sie in den vergangenen sechs Jahrzehnten kein bisschen an Begeisterung für das Ordensleben verloren. Im Gegenteil: „Ich freue mich heute noch genauso über meine Berufung wie damals und bin Gott sehr dankbar, dass er mich diesen Weg gehen ließ“, sagt die Ordensfrau.
Die gebürtige Oberösterreicherin ist 18 Jahre alt, als sie mit dem Wunsch, Krankenschwester zu werden, ins Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern nach Linz kommt. Sie ist von den Ordensfrauen dort beeindruckt. „Ihre Ausstrahlung und ihre Hingabe an die Kranken haben in mir den Wunsch geweckt, ebenfalls diesen Weg zu gehen.“
Ein tiefes, inneres Gezogensein
Ihre Berufung beschreibt Schwester Adelma als unspektakulär, zumindest nach außen hin. In ihrem Inneren erlebt die damals Achtzehnjährige jedoch „ein tiefes, inneres Gezogensein“, eine starke Kraft, die sie treibt, den Schritt in den Orden zu wagen. Auch wenn er bedeutet, ihre Familie zu verlassen und voraussichtlich für lange Zeit nicht mehr zu sehen. Denn damals ist es für Ordensfrauen üblich, ihre Familien nur alle zehn Jahre zu treffen. Schwester Adelma erinnert sich: „Ich hatte diesen Wunsch und habe nicht gefragt, wie und wohin der Weg mich führen wird. Der Weg entsteht Schritt für Schritt beim Gehen.“
Studium der Pharmazie
Kurz nach dem Ordenseintritt macht Schwester Adelmadie Matura und beginnt ein Pharmaziestudium, damit sie in einer der Ordensapotheken arbeiten kann. Bis zu ihrem 75. Geburtstag arbeitet Schwester Adelma als Pharmazeutin, viele Jahre lang leitet sie die Krankenhausapotheke der Barmherzigen Schwestern in der Gumpendorferstraße im 6. Bezirk.
Sr. Adelma (3. v. li. ) mit einigen ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen im Quo vadis?
Mit ihrer Pensionierung tun sich für die Ordensfrau neue Tätigkeitsfelder auf: Sie arbeitet ehrenamtlich im Quo vadis?, dem Zentrum für Begegnung und Berufung der Ordensgemeinschaften im ersten Bezirk, und ist für viele Menschen verfügbar.
Nicht auf Rosen
So dankbar Schwester Adelma für ihr Leben als Ordensfrau ist, sie ist weit davon entfernt, das Ordensleben zu idealisieren. Ein Leben im Kloster ist mit Mühen verbunden wie jedes andere Leben: „Man geht auch im Kloster nicht immer auf Rosen. Es gibt ebenso Krisen und Herausforderungen, die oft das Innerste treffen und vielleicht sogar verletzen.“ Für Schwester Adelma ist in den schwierigen Situationen das Gebet und die geistliche Begleitung eine Hilfe. „Ich konnte in all meinen Ordensjahren geistliche Begleitung immer als Geschenk erfahren.“ Heute, als Achtzigjährige und nach sechs Jahrzehnten Ordensleben, kann Schwester Adelma sagen: „Könnte ich heute nochmal entscheiden, alle Erfahrungen der sechzig Jahre eingeschlossen, meine Wahl würde keine andere sein. Ich bin Gott und den Menschen, die mir Hilfe auf meinem Weg waren, für meine Berufung sehr dankbar, denn ich weiß, dieser Weg war und ist für mich Leben und Erfüllung. Vielen jungen Menschen würde ich einen gleichen, erfüllten Lebensweg wünschen.“
Vor Kurzem hat Schwester Adelma mit drei ihrer Mitschwestern das 60-jährige Ordensjubiläum gefeiert: „Noch sind wir auf dem Weg und bleiben auf dem Weg. Was wir tun können, ist im Verhältnis zu dem, was an uns getan wird, in der Tat wenig, aber das Wenige müssen wir tun und der Gnade ohne Widerstand folgen. Immerr müssen wir uns auf der Suche nach dem Geheimnis befinden, das wie ein Schatz im Acker verborgen ist.“
Quelle: Sandra Lobnig, Der SONNTAG