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„Ein Ombudsmann für alle“

Stefan Gugerel im Interview

 

 

Militärseelsorger betreuen rund 100.000 katholische Bundesheerangehörige im In- & Auslandseinsatz. Stefan Gugerel über die vielfältigen Aufgaben & ein Leben unterwegs.

 

 

Was sind die Schwerpunkte in der Militärseelsorge? 

Im Kern sind es drei Aufgabengebiete: dieSicherung der Religionsfreiheit, damit die Soldaten die Sakramente feiern können; zweitens die Erfüllung des Bildungsauftrags und die Beratung der Kommandanten in religiösen Fragen; drittens die persönliche Betreuung der Soldaten, für die man manchmal auch den Spaßvogel spielen muss. Das hört sich nicht nach klassischer Seelsorge an, ist aber gerade bei Auslandseinsätzen enorm wichtig, da es Gesprächsmöglichkeiten auch mit denjenigen eröffnet, die mit der Kirche sonst nichts zu tun haben.

 

Mit welchen Anliegen kommen die Soldaten zu Ihnen? 

Als Militärseelsorger ist man Katalysator für weltanschauliche, religiöse und dienstliche Fragen. Ich bin eine Art Ombudsmann für alle. Meine neutrale Stellung und Verschwiegenheitspflicht haben den Vorteil, dass ich bei Problemen vermittelnd eingreifen kann. Bei Auslandseinsätzen geht es oft um familiäre Probleme und religiöse Fragen, die persönlicher Natur sind oder die Situation im jeweiligen Konfliktland betreffen.

 

Wie bereiten Sie sich auf Ihre Einsätze im Ausland vor? 

Ganz wesentlich ist, sich im Vorfeld mit dem jeweiligen Kulturraum und Einsatzort vertraut zu machen, damit man möglichst alle Fragen der Soldaten beantworten kann. Die persönliche Vorbereitung dreht sich mehr um praktische Dinge: Wie viel nehme ich mit? Was benötige ich wirklich für sechs Monate? Es ist eine höchst spirituelle Erfahrung, wenn man merkt, mit wie wenig man auskommt.

 

Was bedeutet Heimat für Sie?

Inzwischen ist das für mich ein sehr geistiger Begriff. Heimat ist für mich kein bestimm ter Ort, sondern wird geprägt durch Menschen, mit denen ich in Kontakt bin. Auch die Liturgie ist für mich eine Form von Heimat. Dort, wo man Gottesdienst feiert, ist man auch zu Hause. Ich reise beruflich und privat viel, aber wenn ich in der Früh das Morgengebet spreche, ist es egal, ob ich in Enns, St. Petersburg oder am Ende der Welt bin. Es ist ein bisschen, wie es im Hebräerbrief formuliert ist: Man hat keine bleibende Stätte, sondern ist auf der Suche nach dem zukünftigen Jerusalem. Und die gemeinsame Reise dorthin ist auch eine Form von Heimat – keine statische, sondern eine sehr dynamische.

 

Wie erleben Sie als Militärseelsorger das Spannungsfeld rund um das Gebot „Du sollst nicht töten“? 

Das bezieht sich meines Erachtens darauf, nicht zum eigenen Nutzen oder aus Rache zu töten oder zu verletzen. Gerade bei staatlich regulierten Streitkräften wie Polizei und Militär ist das nicht der Fall. Im Gegenteil: Die persönlichen Emotionen werden hinter den Auftrag gestellt. Das Österreichische Bundesheer hat das Motto „Schutz und Hilfe“ – es geht nicht da rum, Menschen zu töten, sondern noch größeres Unheil zu verhindern. Ich nehme Gewalt zwar in Kauf, aber es ist nicht das Ziel meines Handelns.

 

Was unterscheidet militärische von zivilen Kirchengemeinden? 

Meine zivile Gemeinde in Oberösterreich setzt sich vor allem aus Frauen, Kindern und älteren Menschen zusammen. In der Kaserne oder bei Auslandseinsätzen habe ich es in der Regel nur mit Männern zwischen 18 und 65 Jahren zu tun. Vieles, was in traditionellen Gemeinden existiert, gibt es in der Militärseelsorge nicht: Sonn- und Feiertagsgottesdienste sind – außer bei Auslandseinsätzen – selten. Auch das Verhältnis zwischen Pfarrer und Soldat ist ein anderes. Da die militärische Seelsorge stark säkularisiert ist, fallen viele Hemmschwellen, die im zivilen Bereich herrschen, weg und öffnen den Raum für tiefgründige Gespräche.

 

Haben Sie eine besondere Berufung zur Militärseelsorge verspürt? 

Ich habe Berufung immer so verstanden, dass sich der „Ruf“ durch menschliche Rufe realisiert. Die Don-Camillo-Variante, dass man eine eindeutige Stimme hört, die einem sagt, was man tun soll, habe ich nie erlebt. Ich habe in meiner Jugend viele vorbildliche Priester kennengelernt und bin mit 18 Jahren in das Stift der Augustiner Chorherren in Herzogenburg eingetreten. Aus persönlichen Gründen hat sich meine Berufung an diesem Ort allerdings nicht realisiert – ich bin dann über den Weg des Grundwehrdienstes in der Militärseelsorge gelandet. Seit 2007 bin ich Militärpfarrer in Oberösterreich und sehr glücklich dort. Es ist eine sehr spezielle Form der Seelsorge, bei der man gerade bei jungen Männern im Sinne einer verspäteten Jugendseelsor ge wirken kann.

 

Das Interview führte Jürgen Belko.

 

Militärkurat MMag. Stefan Gugerel, geboren 1979, studierte von 1997 bis 2003 Theologie, Religions pädagogik und Religionswissenschaften in St. Pölten, Linz und Wien. 2006 folgte die Diakonen- und schließlich die Priesterweihe. Seit 2007 ist er Militärpfarrer in Oberösterreich. Auslandseinsätze 2008 (EUFOR im Tschad), 2013 (UNIFIL im Libanon) und 2013/2014 (KFOR im Kosovo).

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