Heiraten - nicht irgendwie, sondern kirchlich
Heute gibt es keinen zwingenden Grund mehr, kirchlich zu heiraten. Umso bewusster wird dieser Schritt dann von den meisten Paaren vollzogen. Spielt Gott dabei eine Rolle und wenn ja, welche? Ein Gastbeitrag von Johannes Ojak.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem Brautpaar zur Frage, ob es sich zur Ehe berufen fühle: „Berufen? Nein, das klingt übertrieben und abgehoben.“ Diese kurze Antwort spiegelt die Sicht vieler Brautpaare wider. Andererseits sagen viele, dass sie „füreinander bestimmt“ seien, „einander gefunden“ hätten oder: „SIE ist jetzt die Richtige.“ – „Mit IHM passt das.“ Das betrifft nicht nur Paare in der Phase des Verliebt-Seins, sondern vermehrt Paare, die einige Jahre zusammenleben und nun kirchlich heiraten wollen. Manche haben Kinder und andere bringen Kinder aus Vorbeziehungen mit in die neue Ehe. „SIE ist jetzt die Richtige. Mit IHM passt das. Und darum heiraten wir – nicht irgendwie, sondern kirchlich.“
Liebe als Geschenk und Aufgabe
Die Motive für eine kirchliche Trauung sind natürlich differenzierter. So unterschiedlich die Beweggründe sein mögen, gemeinsam ist den meisten Paaren die Hoffnung, dass die eigene Liebe eingebettet ist in eine umfassendere Liebe; und die Überzeugung, dass die eigene Liebe ihren Ursprung anderswo hat: Sie ist Geschenk und weist über sich und über das menschlich Machbare hinaus. Deshalb „heiraten wir – nicht irgendwie, sondern kirchlich“. Die eigene Beziehung wird zum Raum für die Erfahrung von Transzendenz und das Ja zueinander „vor Gottes Angesicht“ zur Konsequenz daraus.
Von der Liebe zu sprechen, bedeutet von Gott zu sprechen: „Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm“ (1 Joh 4,16). Die Liebe ist ein Geschenk – in der Liebe zu bleiben, ist eine Aufgabe. Im Eheversprechen heißt es: „Ich will dich lieben, achten und ehren.“ – Eine Entscheidung, die „alle Tage meines Lebens“ fällig ist. Denn Beziehungen verändern sich und Lebenslagen wandeln sich. Trotzdem soll SIE die Richtige bleiben und mit IHM soll es auch in Zukunft passen. Achtsamkeit im Miteinander durch Hoch-Zeiten und Tief-Zeiten, in guten und bösen Tagen wertschätzend im Dialog zu bleiben, sind Voraussetzungen, aber keine Garantien für das Gelingen einer Paarbeziehung.
Wegbegleitung
Es gibt weder Garantien noch allgemein gültige Patentrezepte, wie eine Ehe funktioniert. Diese mitunter verlockende Bequemlichkeit würde die von Gott geschenkte Freiheit und Einzigartigkeit negieren. Beziehungen und Ehen sind so einzigartig wie Menschen einzigartig sind. Schließlich geht jedes Paar seinen eigenen, sehr persönlichen Weg. Auf diesem soll jedoch niemand allein oder ohne Unterstützung unterwegs sein. Das ist der Ansatz für die unmittelbare Ehevorbereitung und die Ehepastoral insgesamt. Sie bietet erwachsenen und mündigen Menschen Begegnung und Begleitung auf Augenhöhe.
Mit dem Papstschreiben „Amoris laetitia“ ist die Thematik in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Der daraus resultierende Appell einer Erneuerung der Ehepastoral nimmt alle Getauften in die Pflicht. Die Hoffnung, dass die eigene Liebe in die Liebe Gottes eingebettet ist, dass Gott für alle ein Leben in Fülle möchte, muss konkrete Gestalt annehmen. Das beginnt beim Umgangston im (kirchlichen) Alltag und reicht über das Teilen von Erfahrungen und das Gebet bis zu spezifischen Angeboten für Paare.
Die Liebe Gottes bezeugen
Es gilt, ein Umfeld zu gestalten, in dem Beziehungen gelingen. Dies darf keine moralische Forderung an die Ehen oder ausgewählte Spezialisten sein, sondern ist eine Aufgabe für die gesamte Kirche. Als Getaufte sind wir berufen, in allen Bereichen davon Zeugnis zu geben. „Was wir verkünden, müssen wir auch leben. Es geht um ein Bezeugen der Liebe Gottes“, wie es im Schreiben „Verkündigung und neue Evangelisierung in der Welt von heute“ der Österreichischen Bischofskonferenz aus dem Jahr 2012 heißt.
In diesem Umfeld ist es Aufgabe der Ehepastoral, Paaren Raum zu bieten, in dem sie Unterstützung auf Augenhöhe bekommen, in dem Erfahrungsaustausch möglich ist, in dem sie Gott entdecken und als Orientierung für den eigenen Weg erkennen können, in dem das eigene Leben transparent wird, um etwas von Gottes Liebe füreinander und nach außen hin durchleuchten zu lassen. Nicht „übertrieben und abgehoben“ – denn die Ausgangspunkte sind und bleiben immer das eigene Leben, die Einzigartigkeit jedes Paares und die konkrete Erfahrung der eigenen Liebe.
Johannes Ojak
Mag. Johannes Ojak ist Theologe leitet die Abteilung Beziehung – Ehe – Familie innerhalb der Kategorialen Seelsorge in der Erzdiözese Wien und den Fachbereich Ehevorbereitung. Gemeinsam mit seiner Frau begleitet er außerdem Paare in Eheseminaren.