Für Gott und die Armen
Die Kongregation „Königin der Apostel“ nahm in Indien ihren Ausgang, ihr Mutterhaus steht in Wien. Die Ordensfrauen wirken seit über einhundert Jahren in Gegenden, in denen die Armut besonders groß ist.
Eines wusste Schwester Maria Jessica Nadakal bereits mit zehn Jahren: Sie würde einmal Ordensfrau sein. Für sie bestand kein Zweifel: „Ich wollte Missionarin werden und Gott und den Armen mein Leben widmen.“ An diesem Plan hielt die junge Inderin aus Kerala im Süden Indiens fest – auch wenn ihre Familie nicht begeistert war. „Sie hielten mich für viel zu jung.
Ich aber wollte unbedingt weg, nach Nordindien zumindest. Von Europa hatte ich damals wenig Ahnung“, erinnert sich die heute 69-Jährige. Als Jugendliche lernte Jessica einige Ordensgemeinschaften kennen, wurde dort aber immer abgewiesen. Mit der Begründung: zu jung. „Ein Priester, der in unsere Kirche versetzt wurde, hat mir dann von den Missionsschwestern ‚Königin der Apostel‘ erzählt. Er hat dort ein gutes Wort für mich eingelegt.“ Die priesterliche Intervention ist erfolgreich: Mit erst 16 Jahren tritt Jessica Nadakal ein und wird Missionsschwester.
Heute ist Schwester Jessica eine von rund 950 Ordensfrauen, die in den Niederlassungen des Ordens in Europa, Afrika, den Philippinen und Indien leben. Die Schwestern betreiben Schulen, Spitäler, Waisenhäuser und Sozialzentren, vorrangig in Gegenden, in denen die Armut groß ist. In Uganda etwa eröffneten sie vor einem Jahr ein Zentrum, in dem Frauen der Region über Kinderpflege, Gesundheitsthemen und Ernährung informiert werden. Die Frauen haben im Zentrum auch die Möglichkeit, lesen, schreiben und rechnen zu lernen.
In Varanasi im Norden Indiens arbeiten die Schwestern mit blinden und gehörlosen Kindern und ermöglichen ihnen, durch geeignete Ausbildung später am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Ihr Anliegen: die Rechte und das Selbstbewusstsein blinder und gehörbeeinträchtigter Menschen zu stärken. Ein anderes Projekt in Mumbai bietet Frauen Schutz in schwierigen Lebenssituationen. Die Frauen, die Gewalt- und Missbrauchserfahrungen gemacht haben, kommen meist mit ihren Kindern und erhalten im Frauenhaus des Ordens medizinische und psychologische Betreuung, Beratung und Möglichkeiten, sich weiterzubilden.
Anfang in Indien
Über Projekte wie diese informieren Schwester Jessica und ihre Mitschwestern aus den verschiedensten Teilen der Welt alle zwei Monate in ihrer bunten Missionszeitung. Dort berichten die Schwestern auch über die Geschichte ihres Ordens, die vor hundert Jahren in Indien ihren Anfang nahm. „Unser Gründer, der Jesuit Antonius Maria Bodewig, war als Missionar viele Jahre in Indien und hat dort die Not der Menschen gesehen. Er wollte vor allem für Frauen und Kinder etwas tun, die zur damaligen Zeit – Ende des 19. Jahrhunderts – stark unterdrückt wurden“, erzählt Schwester Jessica. Für Pater Bodewig hatte Indien stets Vorrang als Missionsland. „Heute gehen wir dorthin, wo sich uns Türen öffnen und, wohin uns Bischöfe einladen.“ Davon, dass die Missionsschwestern der ‚Königin der Apostel‘ in so vielen Ländern tätig sein würden, ahnte P. Bodewig nichts, als er 1915 starb. Jahrelang hatte er sich erfolglos um die päpstliche Anerkennung seiner Gemeinschaft bemüht.
Nur einen Tag vor einer Audienz bei Papst Benedikt XV., bei der er neuerlich sein Anliegen vortragen wollte, verstarb er in Rom. Am 1. Juli 1923 – unterstützt durch Kardinal Friedrich Gustav Piffl und den späteren Wiener Erzbischof Theodor Innitzer – wurde die Kongregation „Königin der Apostel“ in Wien offiziell errichtet. In diesem Jahr feiert sie ihr 100-jähriges Jubiläum. Das Mutterhaus der Gemeinschaft steht in Wien im 17. Bezirk, wo auch Schwester Jessica arbeitet und mit 26 weiteren Schwestern aus anderen Teilen der Welt lebt. „Berufungen haben wir leider im Moment wenig “, sagt die Ordensfrau, „obwohl wir versuchen, mit Jugendlichen in Kontakt zu bleiben und für sie zu beten.“
Ihre Lebensweise kann Schwester Jessica jedenfalls uneingeschränkt weiterempfehlen. „Die Leute fragen mich immer wieder, ob es nicht schwierig ist, auf so vieles zu verzichten, und ob ich so glücklich bin, wie ich aussehe. Ja, natürlich bin ich das! Wenn ich nicht innerlich so glücklich wäre, könnte ich es auch äußerlich nicht zeigen.“
Von Sandra Lobnig
Sr. M. Jessica Nadakal ist als General Bursar Teil der Missionsschwestern der Königin der Apostel.