Brennende Begeisterung
Michaela Lugmaiers Berufungsweg verlief nicht geradlinig und führte für die 45-Jährige doch zum Ziel: Seit September ist sie Beauftragte für Exerzitien und Spiritualität der Diözese Sankt Pölten.
Veränderung und Neu-Orientierung – die Reise hin zur eigenen Berufung war für Michaela kein
herkömmlicher Weg. Geprägt hat ihre Jugend ein einschneidendes Ereignis: der plötzliche Tod
eines Schulkollegen. Kurz vor ihrem 15. Geburtstag starb er an Magenkrebs, das Begräbnis
fand direkt an ihrem Geburtstag statt. Es drängten sich ihr zunehmend Sinnfragen auf und der
Wusch, ihren eigenen Weg zu finden.
Bestärkt durch Brief-Exerzitien und die inhaltliche Auseinandersetzung traf sie nach der Matura nach reiflicher Überlegung die Entscheidung, in Wien Theologie zu studieren. Die elterliche Reaktion auf ihre Wahl: skeptisch-distanziert. Rückblickend „eine Kraftprobe für meine Berufung“, wie Michaela reflektiert. Und dennoch: Sie vertraute auf den Ruf, den sie verspürte: „Kein leichter, aber ein notwendiger Schritt, der mich näher zu mir selbst und zu dem führte, wofür ich brenne.“ Kombiniert mit dem Studium der Geografie führte sie ihren Weg
fort.
Geboren 1977 in Wien verbrachte Michaela ihre Schulzeit im niederösterreichischen Zwettl. Hier wuchs sie in einer Familie auf, „die ein naturverbundenes Leben nach religiösen Werten führte. Neben der kirchlichen Brauchtumspflege war vor allem die Musik ein fester Bestandteil meiner Kindheit und Jugend.“ Kirchenmusik entfachte in ihr „den ersten Funken des Feuers der
Begeisterung“. Eine Passion, die die Älteste von vier Schwestern bereits als 8-jährige Sängerin im Kirchenchor ihrer Heimatpfarre Schönbach auslebte und die sie in späteren Jahren unter anderem bis zum „C-Diplom für Neues Geistliches Lied“ am Konservatorium für Kirchenmusik der Erzdiözese Wien führte.
„Frau im weltlichen Habit“
Die Familie arrangierte sich mit dem Theologiestudium der Tochter. Mehr noch – bei Zweifeln
bekräftigten Freunde und Kollegen Michaela in Ihrer Entscheidung. Mentor, Kraftquelle und
Wegweiser war zudem der einstige St. Pöltner Bischofsvikar und langjährige Vizepräsident des
Canisiuswerkes Franz Schrittwieser: „Ein Vertrauter, der mich bestärkt hat, den Mut nicht zu
verlieren.“
Nach erfolgreich absolviertem Lehramtsstudium der Theologie und Geografie folgten eine Anstellung als Pastoralassistentin sowie zehn Jahre Jugendpastoral im Dekanat Amstetten und Haag. Dabei geht Michaela auf ihrem Weg „hinter Jesus Christus. Er ist das Role Model, ich gehe hinter ihm her und folge seinem Ruf.“ Ein Ordensmann nannte Michaela zudem „eine Frau im weltlichen Habit. Nicht nur wegen meiner Kapuzenpullover, sondern: ‚Habitus‘ bedeutet Haltung. Das, was mir Halt gibt, prägt und bestimmt mein Leben.“ Wichtig sei für sie, „gemeinsam mit Gott hinzuhören, wo das Ziel des Lebens sein kann“. Wichtige Bestandteile dabei sind „geistliche Begleitung, Tage der Stille oder Exerzitien. Aus dieser Verbindung mit Jesus geht das Feuer nicht schnell aus und lässt sich auch leichter in anderen entfachen.“
Besonnene Selbsterkenntnis
Sich selbst und den eigenen Lebensweg hinterfragen, die Ruhe als Mehrwert begreifen und die Stille als Kraftquelle zu nutzen – in einer schnelllebigen Welt mitunter fordernd. Ebenso „die eigene Stille aushalten“, wie Michaela sagt. Das merkt sie auch bei der Jugendarbeit: „Wir nennen es die ‚Gar-nix-Zeit‘. Zwei Minuten Besinnung und Stille ohne Ablenkung, um Ruhe zu finden.“ Entschleunigung im Alltag findet Michaela zudem in Ihrer Passion – der Musik.
Hier im Speziellen in John Cage’s Stück „4’33“. Der Inhalt: absolute Stille. Weitaus umfangreicher ist die Stille, welcher sich die 45-Jährige jährlich während bis zu acht Tage andauernden Exerzitien stellt. Zudem absolvierte Michaela im Sommer 2022 zum ersten Mal die 30-tägigen „Ignatianischen Exerzitien“ – ein Weg, um die Gottesbeziehung zu vertiefen und das Leben zu ordnen: „Das Hinhören auf die inneren Bewegungen schenkt mir Orientierung und Klarheit.“
Michaelas brennender Enthusiasmus für Spiritualität prägte ihren Werdegang. Zuvor in der
Regionalbegleitung Mostviertel-West tätig, teilt sie seit September das Feuer ihrer Begeisterung mit Interessierten als Beauftragte für Exerzitien und Spiritualität in St. Pölten. Ihr Ziel: „Die Begeisterung für Exerzitien zu wecken und Menschen bei der Suche nach Gott und einem sinnerfüllten Leben zur Seite zu stehen.“
Von Lukas Cioni
Michaela Elfriede Lugmaier ist Theologin und Religionspädagogin, Supervisorin, Coach und seit
September 2022 Beauftragte für Exerzitien und Spiritualität der Diözese St. Pölten.