Gebetstag um geistliche Berufe
Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte des Vergessens, des Verdrängens, der Verweigerung und der Entfremdung sowie des Versagens. Nicht nur Erfolge, Errungenschaften und Glücksmomente kennzeichnen die Menschheitsgeschichte, sondern zu oft ihr Niedergang, ihre Bodenlosigkeit, ihre Zukunftsvergessenheit. Ohne sich daran zu erinnern, woher der Mensch kommt, wohin er geht und welchen Sinn das alles haben könnte, verarmt der Mensch. Arm ist der Mensch, wenn er sich nur auf sich verlässt, Ohren und Augen verschließt, die Hände tatenlos faltet, Gott in den Schmollwinkel religiöser Beliebigkeit verbannt, ihn verdrängt und ausschaltet, ihn zum Notnagel eigener Projektionen macht und die Menschen in den Schwitzkasten nimmt. Gott muss im konkreten Leben Fuß fassen, ohne Zwang, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne moralische Gebrauchsanweisung, ohne missionarische Zwänge.
Gott suchen kann heißen, dem begegnen, der mich schon längst gefunden und der sich für mich entschieden hat. Im Exodusbuch des Alten Testaments heißt es: „Schnell sind sie vom Weg abgewichen, denn sie haben ihren Gott vergessen.“ Gottvergessenheit und Gleichgültigkeit, wenn es um Gott geht, das Desinteresse an Gott sind nicht nur „Markenzeichen“ unserer Zeit, sie haben immer aufgelebt. Es braucht Menschen, die erkennen und unaufdringlich und einladend den Weg zu ihm weisen. Wir beschäftigen uns zu viel mit uns selbst, mit unseren religiösen Praktiken, mit der Kirche und ihren Strukturen, mit den Seitensträngen des Lebens, aber wenig mit Gott. Es könnte spannend sein, mit Gott zu leben in allen Epochen und Lebensaltern und für alle Menschen.
Gebet
Gott,
ich frage, wer du bist,
und finde keine Antwort.
Ich frage, wer ich bin,
und erschrecke.
Ich suche das Leben,
ermüde und strauchle.
Ich finde das Leben,
staune und begreife.
Gott, du mein Leben.
Pater Karl Schauer OSB