Wer wird Priester?
Junge Priester kommen aus meist volkskirchlichen Strukturen
Die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentrum für angewandte Pastoralforschung (zap:bochum) haben heute (17. Mai 2024) die Studie „Wer wird Priester? Ergebnisse einer Studie zur Soziodemografie und Motivation der Priesterkandidaten in Deutschland“ vorgestellt. Die Studie war von der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegeben worden.
Ziel der Studie war es, die sozial-religiösen Herkünfte und Motivlagen neugeweihter Priester zu erforschen, um mit den Ergebnissen personalstrategische Entscheidungen treffen zu können. Die Forscherinnen und Forscher des zap:bochum haben alle 847 Priester, die von 2010 bis 2021 geweiht wurden, für die Studie angefragt. Insgesamt nahm eine repräsentative Stichprobe von 17,8 Prozent teil.
Prof. Dr. Matthias Sellmann, Direktor des zap:bochum, fasste bei der Vorstellung die wichtigsten fünf Herausforderungen der Berufungspastoral aus pastoraltheologischer Sicht zusammen: „Priesterberufungen haben genau in jenen Konstellationen die größte Wahrscheinlichkeit, die demografisch, gesellschaftlich und innerkirchlich austrocknen.“ Zu diesen Konstellationen gehören u. a. eine kinderreiche Familie, Präsenz katholisch prägender Personen und viele Möglichkeiten liturgischer Fremd- und Selbsterfahrung vor Ort. Die Mehrheit der Priester sehen sich zudem selbst nicht als „gestalterische Führungskräfte; ohnehin scheinen sie in der Mehrzahl mit den Settings und Werten der modernen Gesellschaft zu fremdeln“. Dazu gehören auch die Anliegen von Kirchenreform.
Daraus lässt sich schließen, dass sie „wenig dazu beitragen werden, Kirche und Gegenwartsgesellschaft miteinander kreativ zu erschließen“. Priester strebten außerdem ein Kompetenzprofil an, das auf „Person“ und „Spiritualität“ setze. Die meisten Aspekte rund um „Organisation“ und „Rolle“ würden ausgeblendet, so Prof. Sellmann. Das kann zu Problemen führen, denn auf Dauer werden sie „als Führungskräfte von immer größeren und ressourcenreicheren Komplexen eingesetzt werden. Ihre Überforderung im Ausfüllen von Führungspositionen ist vorprogrammiert“. Viele Priester verweigern sich der intensiven Gemeindebeziehung, wechseln stattdessen in die formale Rollenausfüllung und suchen die sie inspirierenden Orte im Jenseits der Gemeinde. „Hier muss Arbeitgeberfürsorge sehr aufmerksam sein.“ Kritisch äußerte sich Prof. Sellmann zur Berufungspastoral, von der bisher kirchen- und gesellschaftsöffentlich wenig zu erkennen sei, dass man an neuen und überraschenden Priesterbildern arbeite. Von römischer Theologie her werde der Priester abgegrenzt und sakral idealisiert. Die Missbrauchsskandale hätten das allgemeine Bewusstsein für Klerikalismus geschärft. „Es bedarf einer entschlossenen, konsistenten und sowohl geistlich wie theologisch gut begründeten Willensbildung zum Umsteuern“, betonte Prof. Sellmann.
Bischof Dr. Michael Gerber (Fulda), Vorsitzender Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste der Deutschen Bischofskonferenz, würdigte die Studienergebnisse, weil sie unter anderem praktische Hinweise für die Arbeit in der Berufungspastoral gebe: „Mehr als 70 Prozent der Befragten gaben an, dass das stille Gebet der Ort war, an dem sie ihre Berufung erfahren haben. Wo schaffen wir folglich solche Orte des stillen Gebets in unserer pastoralen Landschaft? Wo ermöglichen wir den Raum für solche Erfahrungen der Stille? Wo befähigen wir insbesondere jüngere Menschen, die es als ‚Digital Natives‘ gewohnt sind, permanent über digitale Endgeräte online und erreichbar zu sein, Zeiten der wirklichen Stille und Konzentration auszuhalten, um aus dieser heraus zu Erfahrungen mit Christus zu gelangen, die zu Lebensentscheidungen führen? Es sind somit wirklich große Fragen, die wir uns im Anschluss an die empirische Erhebung stellen müssen.“ Die Studie gebe außerdem wichtige Erkenntnisse für den Bereich der Seminarausbildung und der Formation der Priesterkandidaten insgesamt.
„Der starke Wunsch der Befragten etwa nach der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung (71 Prozent) und einer Einübung in die eigene Spiritualität (63 Prozent) kann vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt und Geistlichem Missbrauch in unserer Kirche nur nachdrücklich begrüßt und gefördert werden. Die Bedeutung der menschlichen Reife ist aber für den Priesterberuf auch deshalb zentral, weil er immer auch als eine Rolle in einer Institution und als ein Seelsorger in oftmals komplexen sozialen Gefügen ausgeübt wird, in denen er nicht selten als Pfarrer leitend oder moderierend tätig ist. Hier kommen persönliche Bedürfnisse und berufliche Erfordernisse zusammen“, betonte Bischof Gerber.
Hinweise:
Die Statements von Bischof Dr. Michael Gerber und Prof. Dr. Matthias Sellmann sowie die Präsentation der wichtigsten Ergebnisse während des Pressegesprächs sind unterstehend als PDF-Dateien verfügbar. Die Studie kann beim Verlag Echter bestellt werden. Vertreter der Medien wenden sich für ein Presseexemplar bitte direkt an info(at)echter.de.
Statement von Bischof Dr. Michael Gerber