Seit Mitte März ist Salzburgs Weihbischof Hansjörg Hofer für Berufungspastoral in Österreich zuständig. Als langjähriger Personalreferent der Erzdiözese Salzburg weiß er, wovon er spricht. Im miteinander-Interview spricht er über seine Freude auf diese Aufgabe, seinen persönlichen Berufungsweg, die Priesternot und die Suche der Menschen nach einem Mehr an Leben. Von Henning KLINGEN
Sie haben von Bischof Krautwaschl den Bereich der Berufungspastoral in der Bischofskonferenz übernommen. Was waren Ihre ersten Gedanken, als man Ihnen diese Aufgabe übertragen hat?
Ich habe mich gefreut über diese neue Aufgabe, weil mir die Priester und die Sorge um neue Berufungen immer schon ein Anliegen gewesen sind. Aus meiner 25-jährigen Tätigkeit als Personalreferent in der Erzdiözese Salzburg weiß ich, wie groß die Sehnsucht der Pfarren nach einem eigenen Priester ist, dass ihnen der Bischof diesen Wunsch aufgrund des Priestermangels aber immer seltener erfüllen kann. Aber auch als Weihbischof bin ich ganz nahe bei den Priestern, da ich für die Seelsorge an den Priestern verantwortlich bin.
Was bedeutet das sperrige Wort „Berufung“ für Sie? Haben Sie eine persönliche Berufungsgeschichte?
„Berufung“ heißt für mich, dass da jemand ruft und auf eine Antwort wartet. Dieser „Jemand“ ist Jesus! Deshalb ist das Priestersein nicht ein Job, sondern eine Berufung, die nicht von mir selber kommt, sondern eben von Christus. Und meine Berufungsgeschichte? Eigentlich wollte ich immer Tischler werden. Denn auch mein Vater und Großvater waren Tischler. Zudem sollte ich einmal den väterlichen Betrieb übernehmen. Aber es ist anders gekommen. Als Volksschüler fragte mich mein damaliger alter Heimatpfarrer nach dem Ministrieren in der Sakristei eines Tages, ob ich nicht auch einmal Priester werden möchte. Was ich darauf geantwortet habe, weiß ich nicht mehr, wohl aber weiß ich, dass es eigentlich Jesus gewesen ist, der mir diese Frage gestellt hat. Und diese Frage hat mich dann nicht mehr losgelassen. Sie hat mich so lange „verfolgt“, bis ich bereit war, Ja zu sagen.
Als Sie zum Weihbischof ernannt wurden, haben Sie in einem Interview gesagt, Sie würden eine „gewisse Glaubensnot“ in der Gesellschaft feststellen. Was meinten Sie damit?
Mit „Glaubensnot“ meine ich das Phänomen, dass alles, was mit Gott, Jesus, Glaube, Kirche usw. zu tun hat, bei immer mehr Menschen immer weniger Rolle spielt. Viele klammern bei ihrer Suche nach Sinn die Gottesfrage aus oder haben es versäumt, ein ganz persönliches Ja zu ihrer Taufe zu sprechen. Dies hat zur Folge, dass viele noch nie die sinnstiftende, tragende, beglückende, befreiende und erfüllende Kraft des Glaubens erfahren haben. Dies meine ich mit „Glaubensnot“.
Wenn Sie mit „religiös unmusikalischen“ Menschen ins Gespräch kommen wollen: Welchen Zugang wählen Sie, um mit Ihnen über das Thema Gott zu sprechen?
Ich würde bei so einem Gespräch davon ausgehen, dass jeder Mensch ein Suchender bzw. eine Suchende ist, wobei wir immer nach Mehr suchen: nach mehr Sinn, mehr Erfüllung, mehr Tiefe usw. Menschen und auch die sogenannte Welt können uns dieses Mehr jedoch nicht so bieten, sodass da noch vieles offen bliebe. Deswegen sind alle glücklich, die auf ihrer Suche Gott ganz bewusst einbeziehen. Denn nur ER kann meinen Hunger und Durst ganz und gar stillen.
Welche Folgen hat die Corona-Pandemie für das religiöse Leben im Land?
Die Folgen sind vielfältig. Ich nenne nur ein paar Stichworte: massive Behinderungen bei den Gottesdiensten, Vereinsamung und Isolation in den Seniorenwohnheimen, oftmals sehr große Hürden in der seelsorglichen Begleitung der Alten, Kranken und Sterbenden, schmerzliche Einschränkungen bei den Begräbnissen, Fest und Feier sind nur bedingt möglich, Erstkommunionen, Firmungen, Trauungen usw. sind kaum planbar, mehrmalige Verschiebungen von diversen kirchlichen Festen sind eine Herausforderung und mitunter auch eine Zumutung für alle Betroffenen. Die Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente ist oftmals enorm schwierig, die Begegnungen in und zwischen den pfarrlichen Gruppen fallen weitgehend weg, durch die grundsätzlich wertvollen medialen Gottesdienstübertragungen gewöhnen sich manche den Kirchbesuch ab, Prozessionen, Wallfahrten, Bittgänge usw. sind praktisch unmöglich geworden. Durch all die genannten Einschränkungen wird das religiöse Leben in den Pfarren, das zu einem guten Teil auch von der Begegnung miteinander lebt, auf ein Minimum reduziert, was nicht selten auf Unverständnis und Resignation stößt und zu Ärger und auch Frust führt.
Viele Menschen wenden sich heute von der Kirche ab. Können Sie den verbreiteten Kirchenfrust ein stückweit nachvollziehen?
Den Kirchenfrust vieler Menschen kann ich sehr wohl ein stückweit nachvollziehen. Wichtig ist mir dabei immer das direkte Gespräch. Und da möchte ich zunächst einmal ein Hörender sein und die Fragen und auch den oftmaligen Frust der Gesprächspartner ernst nehmen. Natürlich ist es mir ein Anliegen, meinem Gegenüber zumindest ein bisschen verständlich zu machen, wieso und warum die Kirche bei dieser oder jener Frage so oder anders denkt. Es liegt in der Natur der Sache, dass wir nicht immer eine gemeinsame Antwort finden. Entscheidend ist jedoch dabei, dass wir einander auf Augenhöhe begegnen, sodass Vertrauen und gegenseitiges Wohlwollen wachsen können. Denn dies ist die Basis für jedes ernsthafte Gespräch.
Sie bezeichnen sich selbst als Mann des Ausgleichs, des Zuhörens und des Gebets. Hat sich dieser Weg in den letzten Jahren bewährt?
Zuhören, ausgleichen und besonders auch beten sind mir nach wie vor wichtig. Natürlich muss man als Bischof auch Stellung beziehen, entscheiden, handeln usw. Aber all das gehört wohl zusammen. Niemand kann nur geben. Auch ein Bischof nicht. Auch als Bischof braucht man Zeiten und Orte des Empfangens, des Auftankens und der Sammlung. Deswegen bitte ich auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, um Ihr Gebet, für das ich mich mit einem herzlichen Vergelt’s Gott bedanke.
Welches Buch würden Sie Menschen empfehlen, die sich als areligiöse Menschen für Kirche und Glauben prinzipiell interessieren?
Ich würde solchen Menschen das Buch von Bischof Stefan Oster, Credo, empfehlen. Es ist nämlich sehr spannend, anregend und ansprechend geschrieben, wobei Bischof Oster dabei immer von der Erfahrungswelt des heutigen Menschen ausgeht, um dann die Inhalte des Glaubensbekenntnisses anschaulich und praxisnah auszubuchstabieren.